Alles über ätherische Öle
Es gibt umfassende Literatur und viele sehenswerte Vorträge zu ätherischen Ölen. Wir möchten hier einen kompakten Zugang bieten mit Fokus auf die Bereiche, die wir besonders faszinierend finden.
Wir haben uns dabei bemüht, komplexe chemische Prozesse vereinfacht darzustellen, damit diese für alle Leser verständlich sind. Die Abhandlung ist unabhängig von unserem eigenen Duftangebot, auch wenn wir als Beispiel immer wieder darauf verweisen.
Welche Bedeutung haben ätherische Öle?
Düfte beeinflussen uns ganzheitlich, und das unser Leben lang. Natürliche Düfte können aus bis zu 500 Wirkstoffen bestehen und setzen damit in unserem Inneren Kettenreaktionen in Gang. Allein die bloße Anwesenheit eines Duftmoleküls kann in unserem Gehirn tief ins Bewusstsein eindringen. Ätherische Öle können Emotionen vermitteln, uns unterstützen und unser komplexes System insgesamt positiv beeinflussen. Das macht es wert, etwas mehr über sie zu erfahren, zu staunen, zu genießen und von ihren breiten Anwendungsfeldern zu profitieren.
Destilliert wurde schon in der Antike – damals als Wasserdampf-Destillation in Tongefäßen, um kosmetische oder heilende Stoffe zu gewinnen. Die Kunst geriet dann eine Zeit lang in Vergessenheit und trat mit dem arabischen Arzt Avicenna im 10. Jahrhundert wieder in Erscheinung. Avicenna galt als Erfinder der Destillation, wie wir sie heute verstehen. Sie gelangte über spanische Universitäten und die Kreuzzüge nach Europa. Im 16. Jahrhundert erblühte die Destillationskunst erneut in Deutschland, und in den folgenden Jahrhunderten wurden hunderte ätherische Öle und Pflanzenwasser (Hydrolate) „kartographiert“ und detailliert in ihren Heilwirkungen beschrieben. Erst im 19. Jahrhundert verschwanden diese aus den Arzneimittelbüchern und wurden durch synthetische Substanzen ersetzt. Durch das noch junge, aber große Interesse an der Aromatherapie nimmt das Bewusstsein und die Nachfrage nach natürlichen und reinen Ölen inzwischen glücklicherweise wieder stark zu.
Was ist Aromatherapie ?
Aromatherapie ist die gezielte Behandlung verschiedenster Krankheiten und Befindlichkeiten mithilfe ätherischer Öle. Sie setzt Kenntnisse von Psyche und Körper sowie von der Biochemie bzw. Wirkweise der pflanzlichen Stoffe voraus.
Die Aromatherapie gehört zur Phytotherapie, bei der verschiedenes pflanzliches Material zur Gesundung eingesetzt wird. In der Aromatherapie werden die ätherischen Öle verschiedenster Pflanzen verwendet und kombiniert. Menschen reagieren individuell auf Aromatherapie, auch wenn es gemeinsame Nenner bei den Ölen und deren Wirkstoffen gibt. Die Öle wirken auf unsere Gefühlswelt, unseren Hormonhaushalt, das vegetative Nerven- und Immunsystem.
Wie gelangen Duftinformationen in unser Inneres?
Durch ihre kleine Molekularstruktur gelangen die Öle beim Auftragen über Haut und Schleimhaut bzw. beim Einatmen durch die Lunge in unseren Blutkreislauf und in verschiedenes Gewebe. Bei der Einnahme werden sie hauptsächlich durch die Mundschleimhaut, aber auch über den Magen und Darm aufgenommen. Durch die Nase und den Geruchssinn aufgenommene Duftmoleküle beeinflussen uns über unser Gehirn psychisch, was aber physische Reaktionen nicht ausschließt.
Der Geruchssinn ist der einzige Sinn, der im Gehirn direkt mit emotionalen Erinnerungen verknüpft wird. Visuelle oder akustische Signale müssen zum Beispiel erst in verschiedenen Gehirnstationen weiterverarbeitet werden. In der Regel verschafft der Geruchssinn den ersten Eindruck, sofern der Reiz nicht in zu weiter Ferne liegt. Gemeint ist nicht nur der erste Eindruck eines Menschen, dem man begegnet, sondern eine emotionale Haltung gegenüber vielerlei Situationen und Orten.
In der Nase wird der Duft durch Riechzellen von chemischen Verbindungen in elektrische Duftinformationen umgewandelt. Diese Informationen rasen über Informationsautobahnen in das limbische System. Dieses System stammt aus der frühzeitlichen Entwicklung des menschlichen Gehirns, hat zahlreiche Aufgaben und ist u.a. für das Gedächtnis und Empfindungen zuständig. Gelangen die Informationen in dieses System, entstehen sofort, unbewusst und unzensiert Emotionen. Die Wirkung und Art der Emotionen kann unterschiedlich sein, und wir können diese nicht steuern, da die Duftinformation ja bereits im Gehirn angekommen ist. Düfte dringen so auf tiefer Ebene in unser Bewusstsein ein. Sie werden in diesem ersten Schritt nicht gefiltert, bewertet oder von unserer bewussten Wahrnehmung beeinflusst. Düfte sind also eine sehr tiefe und pure Form der Kommunikation.
Das dem limbischen System nachgelagerte Rechenzentrum, der Thalamus, ist ein Teil des Zwischenhirns und schickt Informationen zur Großhirnrinde. Die Großhirnrinde ist die Hirnregion, in der Informationen zur Bewusstwerdung verarbeitet werden können. Jetzt kann man den Duft bewerten, einschätzen, zuordnen und ihn so zum Beispiel mit Erfahrungen in Beziehung setzen. Man kann ihn nun also bewusst verarbeiten, nicht wie die oben beschriebenen ungesteuerten Reaktionen.
Erinnerungen werden ebenfalls bereits im limbischen System geweckt. Nichts ist so sehr an Erinnerungen gekoppelt wie Gerüche. Sie werden nicht bewusst durch die Vernunft kontrolliert, sondern sind etwas Pures, Unbeeinflussbares. Im Grunde wird man unfrei geleitet und wird zu etwas bewegt, ohne steuernd eingreifen zu können. Kennt man die Wirkung von Düften im Allgemeinen und im Individuellen, kann man dies positiv nutzen und seine tiefen Schichten mit Duftinformationen versorgen, um die Wirkung der Düfte zu erfahren und auszulösen.
Die Riechzellen wandeln die chemischen Informationen in elektronische um, die wiederum über spezielle Hirnzellen an das Gehirn weitergeleitet werden. Es ist eine direkte Verbindung: ohne Umwege, unmittelbar und unverfälscht.
Der Prozess ist beeindruckend und mächtig, birgt viel Potential für Psyche, Körper und aromatische Freude. Unser Gehirn ist überaus komplex, und bereits ein Duftmolekül kann eine „Schockwelle“ durch unser inneres System jagen.
Bisher ging man davon aus, dass ein erwachsener Mensch etwa 10.000 verschiedene Duftnoten unterscheiden kann, neue Studien sprechen jedoch von bis zu einer Billion Duftnoten. Damit könnte die Nase mehr Informationen/Reize verarbeiten als die Augen und Ohren zusammen. Der Duftsinn kann zudem trainiert werden, nimmt aber, wie andere Sinne auch, ab etwa 40 Jahren ab. Die Leistungsmessung des komplexen Duftsinnes ist schwieriger als eine Messung der Sehkraft oder der akustischen Wahrnehmung. Der Verlust des oft unterschätzten Duftsinns kann schwere Folgen haben, wie z.B. Unwohlfühlen in Gesellschaft und sozialer Rückzug.